Paddeln Isar abwärts im Kajak „Kairos“ - für ein Aufwärts bei den Isarvögeln
In der Brutzeit zwischen April und Juli fahre ich die Isar mehrmals im Monat, sonst nur einmal, falls es das Wetter zulässt. Dieser Turnus gilt für die knapp 40 km lange Monitoring-Stammstrecke von Lenggries bis zum Ickinger Wehr. Den Isarlauf vom Sylvensteindamm nach Lenggries und die Ufer des Sylvensteinspeichers schaue ich mir mehrmals in der Brutsaison an, die Flussstrecke abwärts von Wallgau nur mehr einmal.
Isar bei Lenggries
Meistens starte ich in der Morgendämmerung. Wie die alten Schiffleut mit einem "Nahui in Gotts Nam". Und fast immer bin ich allein. Und ich liebe das. Ein einzelner Mensch im Kajak, ein Jäger mit den Augen, vorsichtig, achtsam und doch hin und wieder mit den Gedanken ganz woanders…
Dann kann es passieren, dass ich an einer plötzlich entdeckten Gänsesägerfamilie schon zu weit vorbei bin, um noch die kleinen Küken genau zählen zu können. Gegen den Strom zurück zu paddeln, geht nur selten. Manches Mal bläst mir in der Ascholdinger Au der Nordwestwind so stark entgegen, dass er mir fast das Paddel aus den Händen reißt. Ich singe dann das Lied aus meiner Kindheit "Wir lieben die Stürme, die brausenden Wogen…" Bei ausgesprochenem Hochwasser vertraue ich mich der Isar nicht an, wohl aber bei höheren Wasserständen. Dann kann ich die brausenden Wogen erleben, z. B. in der unteren Ascholdinger Au. Dort haben Eintiefungsvorgänge viele Felsblöcke stärker herauspräpariert. Sie verursachen eine hochwellige, weiß gischtende Strecke. Ich werde zum Wassermann, völlig hingegeben den Elementen, unbewusst agierend und reagierend im Spiel mit den Wellen und Hindernissen, erlebe einen "Flow", wie die Psychologen sagen.
Großartig, wie sich der Flusslauf vor allem in der Ascholdinger und Pupplinger Au bei Hochwasser noch verändert! In der Ascholdinger Au geht die Entwicklung von einer mehrfachen Verzweigung in Teilarme, wie sie für eine starke Geschiebeführung typisch ist, hin zu einem großen Bogen Rich-tung Ascholding und danach Richtung Gartenberg. Nicht mehr allzu lange wird es dauern, dann wird ein Flusslauf durch den Verhau aus angeschwemmten und umgestürzten Bäumen an dem Ascholdinger Ufer geradeaus durchbrechen.
Unterspülte Treibholzhaufen stellen eine Gefahr für unerfahrene Bootsfahrer dar, die nicht frühzeitig mit Ausweichmanövern beginnen. Ich lasse deshalb besonders gefährliche Stellen vom Isar-Ranger zur Entschärfung an die zuständige Flussmeisterstelle melden.
Isar an der „Kalköfler-Insel“ bei Bairawies
Meine Vogelbeobachtungen spreche ich noch während der Fahrt auf ein kleines wasserdicht verpacktes Gerät und trage sie dann zu Hause mit Ortsangabe in mein Notizbüchlein ein. Die Orts-angaben sind überwiegend von mit selbst erfunden, wie z. B. "Krumpes Loch" (Flößersprache!), "Kalköfler-Insel" (Hausname!), "Sprudelinsel" (ein Flussarm dort hatte sich aus natürlich entstan-denen Whirlpools entwickelt!), "Bernhardsbank" (vom Ranger Bernhard März vor Jahren intensiv betreuter Regenpfeifer-Brutplatz!). Für die Daten-Weitergabe an Naturschutzbehörden u. a. wandle ich die individuellen Ortsangaben in Gauß/Krüger-Koordinaten um.
Mein Kajak trägt den Namen Kairos (griechisch: "richtiger Augenblick"). Zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein, darauf kommt es bei meinen Pirschfahrten an! Dies gilt sowohl für die routinemäßig kontrollierten Vogelarten als auch für besondere Ereignisse wie z. B., wenn am Tölzer Stausee sich tatsächlich ein Rallenreiher am Ufer versteckt, bei Wolfratshausen ein Seidenreiher in der Isar steht, ein fischender Schwarzstorch sich im vollen Sonnenlicht vom Ufer erhebt, an einem neuen Uferanbruch nicht nur eine Eisvogel-Brutröhre ist, sondern plötzlich auch dieser Vogel heraus schlüpft, eine Wasseramsel im letzten Augenblick vor einem angreifenden Sperber wegtaucht. Oder auch, wenn sich ein Uferläufer-Männchen jubilierend im Rüttelflug zärtlich auf sein Weibchen senkt.
Auf einem Zwischenstopp
Isar-Vogelmonitoring 2008
Beim Gänsesäger haben wir in den vergangenen Jahren keine erfreuliche Entwicklung. Die Zahl der Brutpaare lag 2008 bei 20, während sich der Durchschnittswert für die vergangenen 10 Jahre bei 25 befand. Zum Glück stabilisierten sich die erfolgreichen Bruten beim Mittelwert von 13 Junge führenden Weibchen. Neu war allerdings, dass ich auf dem Sylvenstein-Speicher heuer erstmals kein führendes Weibchen sah. Dafür bieten sich 2 Erklärungen an: Die Küken fanden wegen des um 2 Meter abgesenkten Sollpegels und des damit verbundenen Verlustes von Seichtwasserzonen mit Jungfischschwärmen zu wenig Nahrung und/oder sie wurden Opfer großer Hechte.
Zu unserer großen Freude erreichte der Eisvogel mit 5 Brutpaaren an der Isar eine uns bisher unbekannte Höchstzahl.
Nach meiner Ankunft am Ickinger Wehr schaue ich hin und wieder auch am Ickinger Eisweiher vorbei. Nach langjähriger Unterbrechung brüteten dort auf dem Nistfloß wieder 5 Paare Flussseeschwalben. Aber ohne Erfolg, auch nach dem zweiten Versuch! Hinter dem Verschwinden der Jungvögel vermuten wir einen Beutegreifer als Verursacher. Schon in den 1990er Jahren hatte es diese Probleme gegeben. In diesem Jahr hatten wir aufgrund der Geschehnisse auf dem Floß bei St. Heinrich nur eine einzige erfolgreiche Brut im Landkreis, nämlich bei Königsdorf im Absetzbecken eines Kiesabbauunternehmens ein Paar mit drei flüggen Jungen.
Die Zahl der Flussuferläufer-Paare ging zwischen dem Sylvenstein-Damm und dem Ickinger Wehr von 23-26 (2007) auf 20 zurück, wobei sich der Schwund ausschließlich auf die Flussstrecke flussaufwärts von Bad Tölz bezieht. Dort sind zwei von den sichereren Insel-Brutplätzen verloren gegangen, außerdem nimmt der Erholungsverkehr zu. Ein Grund, die Situation genau im Auge zu behalten!
Der Flussregenpfeifer konnte seinen Bestand in der Größenordnung von 21 Brutpaaren halten.
Heri Zintl, Lenggries
(Eine etwas ausführliche Dokumentation zum Vogel-Monitoring erschien in der Jahresbroschüre Eisvogel 2008 der LBV Kreisgruppe Bad Tölz / Wolfratshausen)
--- Der Bericht wird in Kürze um weitere Bilder ergänzt ---